Von Hochzeiten und „Kindli-Wy“                                          (Thomas Appius)

 Es wird beschlossen, es sei dem Herrn Trümpi bei seiner Kopulation am 28. Okt. 1856 ein Lied zu singen Nach der Abendunterhaltung v. 27. Febr. 1862 im „Rössli“ wurde bis zur frühen Morgenstunde ununterbrochen getanzt; einzig unser werter Herr Präsident wurde wegen wichtiger Familien-Angelegenheit uns für einige Momente entrissen, welchen Fehler derselbe jedoch später mit einigen Doppellitern „Kindliwy“ wieder gut machte.  Herr Georges Grob will nicht mehr allein im Stüblein sein und Trübsal blasen. Nein, lieb und warm nimmt er ein Schätzchen in den Arm und baut mit ihm ein Hüttchen. So verkündete uns vor einiger Zeit eine Verlobungskarte und da wir den Glücklichen heute zum ersten mal als Bräutigam in unserer Mitte haben, lassen wir es uns nicht nehmen, dass Ereignis mit einigen Doppellitern zu feiern, natürlich auf seine Kosten. Wir singen ihm zärtlichen Minnelieder und wünschen ihm von Herzen ein vergnügtes Ehestandsnoviziat.  Da Herr Georges Grob bald Hochzeit zu machen gedenkt, wird beantragt, ihm und künftig jedem Aktiven, der sich in ähnlicher angenehmer Lage befindet, nach der Heimkunft von der Hochzeitsreise ein Ständchen zu bringen, wie das auch andernorts geschieht.  

11. Jan. 1883: Nun hat’s ihn! Nämlich unsern Georges Grob hat die Liebe, welche ihn schon geraume Zeit verfolgt hat, vollständig überwunden, denn heute machte er Hochzeit. Die Junggesellen unseres Chors können es fast nicht begreifen, dass er, der lustigste unter ihnen dem kleinen tükischen Gott Amor, den er sonst immer gefoppt, so vollständig unterliegen musste. Und wenn wir nun künftig ausziehen auf Reisen und Sängerfeste, da soll kein Aennchen und kein Rös’chen, kein Gret’chen und kein rothaarig Schätzelein mehr auf den Fidelen rechnen dürfen? Arme Mädchen, Ihn aber grämt’s gar nicht. Glückstrahlend steht er in der Haustür und hört des Hochzeitssanges goldenen Klang, wie in stiller Nacht ein wehmutfeuchtes Lied, wonnig weich, süss und sacht zu ihm hinüberzieht; wie es schwingt, wie es singt von der Zukunft, wie es klingt von Entzücken, dass die Liebe bringt. Unser Ständchen hat dem lieben Freund gefallen. Wir müssen zu ihm hinein und stossen an und trinken begeistert auf sein neues Glück. Herr Lehrer Pfändler bietet ihm einen poetischen Segenswunsch und Herr Pfarrer Wild empfiehlt ihm, dem Gesange treu zu bleiben, auch dann    noch, wenn eine sangesfreudige, zahlreiche Nachkommenschaft „ihr Eia Popaia“ im Chorus anstimmen werde. Wir zweifeln nicht an seinem guten Willen und haben diesen Wünschen nur das alte toggenburgische Segenswort beizufügen: „Walt’s Gott“! Der Herr Präsident hat Familienzuwachs erhalten und von Schöpfergefühlen beseligt, gebietet er „Es werde den Sängern Wein!“ Und so geschah es. Wir trinken auf blühendes Gedeihen des Töchterchens und der Herr Vizepräsident wünscht, es möchte die alte gute Sitte unter den Vereinsgenossen, bei der Geburt eines Kindes ein Ständchen zu singen, wieder aufleben. Die Mehrzahl stimmt ihm bei, denn wenn es zuständigen Orts befolgt wird, bekommen wir dies Jahr noch einige gute Schlücke von den Verheirateten.  

14.6.1883: Herr Georges Grob hat Vaterfreuden erlebt und leistet den üblichen Tribut. Sein Tun animiert 2 Herren zu ähnlichem Streben. So will sich Herr Hofmann nicht mit dem Ruhme eines Webermeisters begnügen. Er will es ernst nehmen mit der Heranbildung tüchtiger Weber und offeriert drei Doppelliter, wenn ihm nochmals Familienzuwachs beschieden werde. Herr Hintermeister gelobt den Göttern gar 6 Doppelliter für denselben Dienst. Die Sänger hoffen, dass der Verfalltag in tunlichster Bälde eintreten werde.  Bereits am 28. Juni 1883 gibt es schon wieder „Chindliwi“ von Herrn Lehrer Thurnherr. Da auch Herr Paul Huber sich ähnliches hat zu Schulden kommen lassen, so ladet er uns ein, einmal an einem schönen Donnerstag-Abend zu ihm auf die Altane zu einem Trunk zu kommen. Wir haben die Schüchternheit in solchen Sachen längst abgelegt und nehmen die Einladung ohne lange Nötigung an.  

5. Nov. 1888: Es läutet 7 ½ Uhr. Aus dem Gemeindehaus bewegt sich ein langer Zug nach der Kirche, an der Spitze unser immer junge Theodor Frister mit seinem ihm von Rechts- und Gesetzeswegen durch Herrn Sekretär Zuber angetrauten Weibchen, im Anschluss einige Tenöre 1. und 2. Ranges mit äusserst feierlicher Miene, daraufhin die Herren vom höheren und niederen Bass, mit Zylinder und Frack, weissen Krawatten und dito Handschuhen, denn es ist einer der Ihrigen, der sich heute einen neuen Hausstand gründet. Den Zug schliesst der allzeit pflichtgetreue Bibliothekar ab, mit einem schweren Koffer auf dem Rücken, enthaltend die Ge-sangsbücher. Bevor der Herr Pfarrer das Urteil des Zivilstandsamtes, nämlich dass sich die Zwei auf Leben und Tod angehören müssen, bestätigen konnte, gruppieren sich unsere Wattwiler Minnesänger in einem Halbkreis und auf gegebenes Zeichen öffnen sich die Kehlen und hinaus tönt bezaubernder Schall, d.h. sie lassen ihren ersten Cantus steigen. Nachdem auch der Herr Pfarrer seines Amtes gewaltet, bildet sich der Halbkreis schon wieder und ihren Lippen entschwebt der Cantus secundus. Der Chor wünscht dem in das Glück der Ehe eingetretenen Herrn Frister, dass er manche Jahre dieses Glückes teilhaftig sein könne.  Schon längst hiess er, man sollte einmal einen verheirateten Bezirksammann haben. Um nun diesem längst gefühlten Bedürfnis abzuhelfen, entschloss sich unser vieljähriges Mitglied, Herr Gehrig, sich am 28. Mai 1889 ein Weibchen zu nehmen. Dass er trotz seiner im Staatsdienste ergrauten Haaren noch einen vorzüglichen Geschmack hat, das beweist das Factum, und da Herr Bezirksammann in den 25 Jahren, die er dem Verein angehört, schon so manchem über die Schwelle gesungen hat, so liess er sich unser Männerchor nicht nehmen, auch ihn gehörig hinüberzusingen. Dies geschah mit 2 Liedern. Ältere, erfahrene Leute mochten dem Neuvermählten sein Glück von Herzen gönnen; aber von den Jüngern mag hie und da einer eine bittere Träne hinuntergewürgt haben, sei es nun aus Neid oder aus Gram. Schwamm drüber! Herr Bezirks-mann regalierte uns nach der Feier mit einem flotten Z’nüni im „Schäfli“, allwo er seine Rose gepflückt hat.  Heute (3. Sept. 1889) heiraten zwei Män-nerchormitglieder miteinander; d.h. nicht sie selbst miteinander, sondern jeder nimmt sich ein eigenes Weibchen. Wir sangen zwei Lieder und werden nach der Feier zu einem strammen Znüni in die Toggenburg eingeladen. Gönnen wir den 2 jungen Männern ihr aufblühendes Glück, wünschen wir ihnen alles Gute und den himmlischen Segen zur Gründung ihrer neuen Heimstätten.  Silberne Hochzeit von Herrn Raschle-Heberlein und Lehrer Naef:

31. April 1891: Der Männerchor singt diesen zwei Veteranen 2 Lieder „Mein ganzer Reichtum ist unser Lied“ und „Nur die Hoffnung festgehalten“, welche wir wie üblich abends vor den Behausungen der Besungenen vortrugen. Herr Raschle-Heberlein beauftragte unsern lieben Herbergsvater, uns zu bewirten, worauf der Verein im „Rössli“ ein Stündchen gemütlich zubrachte und die Silbergrauen donnernd hochleben lassen.  Nach der Gesangsübung v. 27. Juli 1893 waren wir noch zwei gemütliche Stunden im Saale beisammen, denn der Herr Präsident hatte es sich nicht nehmen lassen, vor dem Antritt seiner Hochzeitsreise dem Herbergsvater Gnipper einzuschärfen, dass er an dem Tage der höchsten Freude und Wonne dem Männerchor einige Doppelliter zukommen lasse. Herr Gnipper ist dem Befehle getreu nachgekommen und wir hatten unsere Freude daran. Erhöht wurde diese noch dadurch, dass Herr Bechinger uns einige selbstgebackene Eierzöpfe verschnitt. Nachdem ein Sänger unter anderem betont hatte, dass der Herr Präsident auch heute im Geiste unter uns weile, liess dies Herr Gnipper nicht gelten und meinte, jener habe jetzt ganz andere Geschäfte, als an den Männerchor zu denken. Wir studieren jetzt Gesang, sprach Herr Gnipper, er studiert jetzt ganz was anderes und mit wahrem Feuereifer wird er in den Schoss des Vereins zurückkehren und namentlich den Ledigen imponieren.  

Schluss-Satz im Protokoll:  

Freude herrscht in unserem Kreise
alles ist von Lust bewegt,
froher als an andern Tagen,
unser Herz im Busen schlägt.
Denn es gilt dem edlen Freunde,
heute ist sein Hochzeitsfest.
Drum ziemt sich’s, dass ein Jeder
dreifach hoch ihn leben lässt.  

Am 24. Aug. 1893 hielten es die Sänger als angenehme Pflicht, ihrem neuvermählten Präsidenten ein Ständchen zu singen. Es war ein idyllisches Bild, die zwei glücklichen Eheleute mit dem Männerchor auf der Veranda zu sehen. Es war schade, dass unser Fotograf nur den Apparat aber keine Platte bei sich hatte.  

Gedicht anlässlich des Hochzeits-Ständchens für Reallehrer Samuel Völlmy vom 21. März 1912: 

Kaum war man im Bunt angekommen,
hat auch Herr Völlmy das Fenster erklommen
und hört mit seiner Gattin klein
den Weisen unseres Sängervereins. 
Nun liessen wir mit kräftigen Stimmen,
dem jungen Paar unsere Lieder erklingen,
und standen zusammen, Mann für Mann,
bis das letzte Lied verklang. 

 

Das nächste Ständchen, wo wird das wohl sein, wem mag es gelten, wer kann das wohl sein? Sein Name ist uns allen kund, denn sein Wohnsitz ist auch im Bunt.